Mitte August 2019 kehrte unsere 5-köpfige Alpinclub-Alzenau-Gruppe (Julius Thöming [15], Julius Kapeller [16], Sebastian Sedlmeier [21], Sven Webersinn [48] und Torsten Puschmann [52]) ins bereits bestens bekannte Wallis zurück.
Nach verregneter Anreise am Samstag erreichten wir gegen Mittag den Furkapass (2429m) und erstiegen im dichten Nebel das Kleine Furkahorn (3026m). Die Nacht verbrachten wir im Zelt auf dem Pass zur Vorbereitung.
Sonntag früh wurden die feuchten Zelte schnell zusammengepackt und weiter ging die Fahrt durch das Rhone-Tal bis nach Brigg und weiter durch das Saas-Tal bis zum Parkplatz Zermeiggern (1750m). Mit Christian Bormann [16] stieß hier der letzte Teilnehmer zu unserer Gruppe. Zelte trocknen, frühstücken, Rucksäcke packen – nach einer knappen Stunde waren alle startklar. Über den Almageller Erlebnispfad mit kleinen Kletterpassagen und 2 Hängebrücken stiegen wir zur Almageller Alp (2194m) auf und nach kurzer Rast weiter bis hinauf zur Almageller Hütte (2894m), die wir nach knapp 4 Stunden errichten. Unsere Jugend erkundete noch den Zustieg zum Zwischenbergenpass (3268m), während die Alten sich ein kleines Nickerchen bis zum Abendbrot gönnten.
Es wurde wieder eine kurze, recht schlaflose Nacht, 3:45 ging's aus den Federn, 4:00 wartete schon das Frühstück auf uns, eine halbe Stunde später standen wir mit Helm, Stirnlampe, Rucksack in der dunklen Nacht. Dank der Erkundungen am Vortag und einiger neu errichteter Steinmännchen erreichten wir nach einer knappen Stunde zielsicher den Zwischenbergenpass. Trotz tief hängender Wolken setzen wir unseren Weg durchs Geröll fort. Kurz hinter dem Pass hatten wir alle anderen Teams überholt und so spurte unsere Gruppe einsam im immer steileren Firn dem Einstieg des Weissmies-Südgrates entgegen. Hier legten wir Gurte an und bildeten zwei Dreier-Seilschaften. Der eigentlich leichte Grataufstieg wurde jedoch durch Regen, Schnee, Hagel und immer dichter werdenden Nebel erschwert. Kurz vorm Gipfel suchten wir Schutz unter Felsvorsprüngen vor einem heftigen Gewitter. Wir nutzen diese Zitterpause, um Steigeisen anzulegen und unsere Pickel rauszuholen. Kurz darauf öffnete sich der Himmel und gab uns wieder freie Sicht auf unsere Route und ins Tal frei. Nach kurzer Kletterei passierten wir noch einem schmalen Firngrat und erreichten wohlbehalten die Gipfelkuppe des Weissmies (4017m).
Für Gipfelfotos im Sturm blieb nicht viel Zeit und schon begannen wir den Abstieg über die breite Westflanke. Einer alten Spur folgend umschifften wir einige größere Gletscherspalten. Und plötzlich ein Ruf und Ruck – Sven war bis zum Bauch in einer Spalte verschwunden, konnte sich aber zum Glück selbst wieder befreien. Vom Firnrücken ging es nun durch den wild zerklüfteten Gletscherbruch abwärts. Eine ca. 10m breite Spalte versperrte uns den Weg. Gesichert sprangen und stiegen wir durch diese breite Spalte über einige bröckelnde Reste von Schneebrücken und verkeilten Eisblöcken. Kurz konnten wir einen flüchtigen Blick in die Unterwelten der Gletscher erhaschen. Nur schnell weiter. Nach einer letzten mit Fixseil gesicherten Traverse entlang eines Abbruchs stiegen wir zügig auf das Gletscherplateau ab und entfernten uns endlich aus der Einschlagszone des Gletscherbruchs. Entlang der Seilbahn durchquerten wir das schuttige Skigebiet bis zur Weissmieshütte (2726m), die wir gegen Mittag erreichten. Zum Glück hatte der Hüttenwirt schon einen separaten Trockenraum vorgeheizt, so dass wir unsere inzwischen durchweichten Klamotten, Rucksäcke und Schuhe trocknen konnten.
Bis zum Abendbrot wurde geruht, getrocknet, gepackt – alles für den nächsten Tag vorbereitet.
Am Montagmorgen ging es wieder 3:45 aus den Betten, 4:00 saßen wir beim knappen Frühstück. Bei klarem Sternenhimmel begannen wir wieder im Licht unserer Stirnlampen den mühsamen Aufstieg. Anfangs auf kleinem Pfad durchs Geröll und auf einer Moräne entlang, später, als es langsam aufhellte, holten wir die Steigeisen heraus und überquerten die Gletscherreste südwestlich des Lagginhorns. Weiter ohne Steigeisen gelangten wir über einen breiten Felsrücken auf den Westsüdwestgrat. In einfacher Blockkletterei stiegen wir über diesen Grat bis zum Lagginhorn empor (4010m). Was für eine Aussicht hier oben – unter uns im Saas Grund ein Wolkenmeer, darüber ragten alle Gipfel der Mischabelgruppe heraus. Unser Nachbargipfel, der tags zuvor bestiegene Weissmies, strahlte in weißer Pracht, dahinter die Eisriesen des Monte Rosa. Immer mehr Bergsteiger erreichten nun den Gipfel, die idealen Bedingungen hatten viele hergelockt. Auf gleicher Route kletterten wir wieder den Grat hinunter bis zum Restschneefeld, schlitterten im jetzt schon weichen Schnee auf die andere Seite zur Moräne hinüber und erreichten wieder zur Mittagszeit die Weissmieshütte. Bei einer kurzen Verschnaufpause verstauten wir die restlichen zurückgelassenen Sachen im Rucksack und weiter ging es bergab zur Bergstation Kreuzboden (2400m).
An statt des mühevollen Talabstiegs liehen wir uns 6 Roller mit breiten Rädern aus. Unsere Rücksäcke wurden mit einer Gondel zur Talstation befördert, während wir uns nun auf die 11km lange Abfahrt machten. Vor den engen Serpentinenkurven war starkes Bremsen angesagt, um nicht aus den Kurven zu fliegen. Auch war der Weg im oberen Teil recht steinig, einige Wellen und Schlaglöcher mussten geschickt umfahren werden. Weiter ging es gerüttelt und geschüttelt bergab. Im unteren Teil ist die Fahrstraße asphaltiert, dafür teilt man sich die Straße dort mit Wanderern und Fahrzeugen von Anwohnern. Unsere Abfahrt endete direkt an der Talstation in Saas Grund, wo wir die Roller wieder gegen unsere Rucksäcke eintauschten.
Mit etwas Glück konnte ich das oben abgestellte Auto per Anhalter erreichen, kurze Zeit später verstauten wir unser Gepäck im Auto und fuhren zu unserem geheimen Grillplatz.
Unseren Ruhetag nutzen wir zum Ausschlafen. Danach stärkten wir uns durchgängig vom Frühstück bis zum Abendbrot. Zwischendurch wurde mit Karten gezockt. Einen Hubschraubereinsatz am Abend wegen Bauchstechen konnten wir gerade noch abwenden.
Das Parkdeck in Saas Fee (1800m) war am Donnerstag unser Ausgangspunkt für den nächsten Gipfelsturm. Zuerst mussten wir jedoch den Luxusbergort durchqueren und die steile Rampe zur Mischabelhütte emporsteigen. Anfangs zog sich der kleine Pfad in endlosen Serpentinen durch einen steilen Grashang empor bevor es zusehends felsiger wurde. Immer wieder erblickten wir faktisch über uns die Hütte. Eine kleine Gruppe Steinböcke ließ sich von uns nicht stören. Oben durchkletterten wir mehrere Felsstufen. Seile und Steighilfen erleichterten die Kletterei. Über eine Leiter ging es weiter hinauf. Die Sonne brannte uns erbarmungslos im Genick, kein Schatten, kein Wasser – und dies, bei einem Aufstieg von über 1500 Höhenmetern. Zur Überraschung erwarteten uns auf der Terrasse der Mischabelhütte (3335m) aufgestellte Liegestühle, die sogleich getestet wurden. Kurz danach wurde unser Zimmer bezogen, direkt unter der Küche und dem Ausschank in der ehemaligen Damentoilette. Hier rumpelte es ziemlich, an Schlaf war nicht zu denken. Nach kurzer Verhandlung mit der Hüttenwirtin zogen wir ins alte benachbarte Winterquartier um. Hier war es zwar recht eng und düster, dafür aber ruhig. Mit Kartenspielen vertrieben wir uns die restliche Zeit bis zum Abendbrot. Wegen des hohen Andrangs auf der Hütte wurde in zwei Schichten serviert, was uns recht war, da es am nächsten Morgen wieder früh los ging und wir so früher ins Bett kamen. Die Nacht war dann sehr eng, kuschelig, kurz und schlaflos.
3:15 wurden wir vom Wecker aus unserm Tiefschlaf gerissen, 3:30 saßen wir gemeinsam beim Frühstück, gegen 4:00 starteten wir bei strahlendem Vollmond mit Stirnlampen unseren Aufstieg. Hinter der Hütte ging es anfangs über zahlreiche Felsstufen und Steinblöcke weiter die Rampe hinauf. Vor und hinter uns immer wieder leuchtende Stirnlampen anderer Gruppen. Am Schwarzhorn (3620m) stiegen wir auf das Gletscherplateau hinab und querten im großen Bogen zwischen Querspalten hinüber zum Fuß des Ulrichshorns. Für den weiteren Aufstieg legten wir unsere Steigeisen an, überstiegen einen Bergschrund und stapften den den teils vereisten Bergrücken zum Windjoch (3850m) empor.
Dort erwarteten uns heftige Windböen gespickt mit scharfen Eiskristallen. Mehrmals mussten wir auf dem nun folgenden Firngrat stehen bleiben, um uns gegen den Wind zu stemmen und nicht über die Wächten in den Abgrund geweht zu werden. Endlich, nach der Hälfte des Gipfelgrates ein grandioser Sonnenaufgang. Es sollte jedoch noch einige Stunden dauern, bis die Sonne eine spürbare Erwärmung unserer halberfrorenen Fingerspitzen verursachen würde. Zweimal mussten kurze Felsabschnitte im Grat überklettert werden. Dem Gipfel entgegen wurde der Firngrat immer steiler. Die letzten Meter mussten dann im Fels durchklettert werden, bevor wir uns stolz neben dem Gipfelkreuz des Nadelhorns (4327m) zum Gipfelfoto positionierten.
Viel Zeit auf dem Gipfel verblieb nicht, da sich inzwischen eine regelrechte Warteschlange unterhalb des Gipfels aufbaute. Also stiegen wir zügig wieder auf den Firngrat hinab. Dort entschieden wir, unsere zwei Dreierseilschaften neu zu formieren.
Sebastian führte unsere beiden Juliuse wieder sicher den Grat hinunter zum Windjoch. Im Eis trainierten sie noch das Einschrauben von Eisschrauben, bevor es weiter runter zur Hütte ging.
In der Zwischenzeit begannen Sven, Christian und Torsten die Traverse zum westlichen Vorgipfel des Nadelhorns. Dieser wurde frontal überklettert, in einer Scharte musste noch ein heikler Felsblock umklettert werden, bevor wir auf den scharfen Firngrat Richtung Stecknadelhorn gelangten. In mehreren Auf- und Abschwüngen folgten wir oben auf der Kante dem Firngrat. Nach leichter Blockkletterei erreichten wir nach einer knappen Stunde das Gipfelkreuz des Stecknadelhorns (4241m). Von hier konnten wir nochmal die Einsamkeit der Berge genießen. Gegenüber der tiefverschneite Dom mit einer haardünnen Spur der Normalroute. Beeindruckend auch die Bergpyramide vom Weisshorn. Vom Matterhorn schweifte unser Blick bis zum Mont Blanc am Horizont. Unbeschreiblich, in Mitten dieser Giganten auf einem Gipfel zu stehen, die ganze Welt zu Füßen. Inzwischen ließen auch die Sturmböen nach, die Wärme der Sonne wurde langsam spürbar.
In umgekehrter Reihenfolge querten wir auf gleichem Wege wieder zum Nadelhorn zurück und erreichten nach kurzer Zeit wieder das Windjoch. Der Rückweg im Hellen über das Gletscherplateau, über den Bergschrund und zwischen den Querspalten hindurch bereitete keine Probleme mehr. In leichter Kletterei stiegen wir dann zur Mischabelhütte ab, wo wir schon vom Rest unserer Gruppe erwartet wurden. Genüßlich räkelten sie sich in den Liegestühlen.
Eigentlich wollten wir noch eine Nacht auf der Hütte verbringen, entschieden uns aber dann doch für den langen Talabstieg runter nach Saas Fee, der gut 3 Stunden in Anspruch nehmen sollte.
Am Auto angekommen, verabschiedeten wir uns von Christian und Julius Kapeller. Beide hatten noch andere Pläne. Nun zu viert im Auto mit etwas mehr Platz starteten wir zur langen Heimreise. Mit drei oder vier Viertausendern im Gepäck gab es viel zu erzählen, egal ob über vergangene Touren oder neue Pläne für die Zukunft. Knapp vor Mitternacht erreichten wir wohlbehalten den Alpinclub Alzenau, jeder freute sich schon auf Dusche und frisches Bett – in den Bergen keine Selbstverständlichkeit.
Ich hoffe, 2 Wochen Regeneration genügen, bevor es zur Hochtour 2019-2 auf geht, zur großen Aletsch-Gletscherrunde durch das Berner Oberland.
Autor: Torsten Puschmann
Überblick
Datum |
Gipfel |
Höhe |
Route |
Schwierigkeit/UIAA |
10.08.2019 |
Kleines Furkahorn |
3026m |
Vom Furkapass |
|
12.08.2019 |
Weissmies |
4023m |
Südgrat + Westschulter (Überschreitung) |
PD/II |
13.08.2019 |
Lagginhorn |
4010m |
Westsüdwestgrat |
PD/II |
16.08.2019 |
Nadelhorn |
4327m |
Nordostgrat |
PD/I |
16.08.2019 |
Stecknadelhorn |
4241m |
Vom Nadelhorn Südostgrat |
PD+/II |
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